Wir erleben zurzeit einen regelrechten Boom von KI-Tools, die versprechen, unser Arbeitsleben zu erleichtern und mehr Möglichkeiten in der Kundenakquise zu schaffen. KI wird unseren Berufs- und Lebensalltag verändern. Doch neben KI ist MI nach wie vor unersetzlich. Mit der richtigen Aufgabenzuteilung ergeben sie ein Dreamteam. Meine Erkenntnisse dazu in diesem Artikel.
Was eine KI-Stimme in mir auslöst
Kürzlich machte mich ein Freund darauf aufmerksam, dass er die Artikel der «Republik» hört und nicht liest. Dieser Anstoss hat mich interessiert. Und so habe ich mir am nächsten Tag zwei Artikel angehört – beide mit einer KI-Stimme «gesprochen». So weit, so gut.
Beim zweiten Artikel merkte ich eine spürbare Ermüdung, wie ich es bei vorgelesenen Texten sonst nicht habe.
Wenn ich an all die Hörbücher denke oder an Radio- oder Fernsehbeiträge – der KI-Stimme der Republik und wahrscheinlich auch vielen anderen künstlichen Stimmen scheint mir etwas zu fehlen.
An was liegt dieser grosse Unterschied?
Ich forsche nach.
Auf den ersten Blick …
Die Republik selbst schreibt zu KI: «Auf den ersten Blick ist es pure Magie.» Sobald man genauer hinschaut, stellen sich viele Fragen, heisst es weiter und endet mit dem Blick auf unsere Selbstverantwortung. Wie jeder Zauberlehrling weiss oder zu spüren bekommt:
Der Umgang mit Magie will gelernt sein. Auch und gerade bei Medienunternehmen.
Die Republik ist transparent und schreibt, mit welchen Systemen sie arbeitet. Die Stimmen sind jeweils als KI gekennzeichnet. Man ist offen für KI, investiert und setzt sie gezielt ein. Ich finde das richtig. Nur so können wir alle Erfahrungen sammeln. Wer mehr wissen will, kann dies im Artikel «Wie die Republik zu künstlicher Intelligenz steht» nachlesen
61 Prozent wollen mit Langspielplatten ihre mentale Gesundheit verbessern
Im Artikel «Ich fühle es einfach mehr»: Warum Teenager ihr Sackgeld für Platten ausgeben» im Tagesanzeiger wird auf den «Gen Z Report 2025» verwiesen, für den mehr als 1000 Plattenfans befragt wurden. Denn die Generation Z packt gerade das Vinyl-Fieber. Die befragten Plattenfans begründen ihr Interesse unter anderem mit der Ästhetik der LPs. Nun gut, das hat nichts mit meinem anfangs genannten Empfinden zu tun. Doch da ist noch etwas: Die hohe Soundqualität der LPs scheint zu beeindrucken.
Ganze 61 Prozent wollen Streamingplattformen wie Spotify durch Platten ersetzen, um ihre mentale Gesundheit zu verbessern. Das lässt mich aufhorchen.
Die Studie begründet das Interesse mit dem aktuellen Wandel in der Gesellschaft. «Platten könnten Vertrauen schaffen und ein Gefühl von Stabilität wiederherstellen.»
Ich erinnere mich an die Anfänge der Compact Disc. «Brothers in Arms» von den Dire Straits hatte als eine der ersten digitalen Albumproduktionen einen grossen Anteil an der Etablierung der CDs. Über 30 Millionen Mal wurde sie verkauft.
Auch ich gehörte zu den Käufern und genoss diesen reinen Sound. Auf den ersten Blick…
Hätte da nicht etwas gefehlt, was schwer zu erfassen ist, aber doch untergründig auf den Genuss einwirkte. Dieses Unvollkommene, dieses Kratzen und Rauschen, dieses Tiefe – dem Leben irgendwie so nahe.
Digitalität führt mich schneller zu Ermüdung. Manchmal erlebe ich sie als kraftraubend.
Während ich meinen Gedanken nachgehe, entdecke ich den Grund, warum ich persönlich glaube, dass künstliche Stimmen und Texte meine Aufmerksamkeit nicht halten können.
KI hat keine Identität – und keine Zielgruppe
Viele LeserInnen werden mir jetzt vielleicht widersprechen. Hier meine persönliche Sichtweise:
Wenn ein Sprecher oder Schauspieler einen Text vorliest, hat er eine Verbindung zu seinem Publikum. Selbst wenn er es nicht sieht. Die will er oder sie auch ganz bewusst. Es geht um emotionale Resonanz. Um das Mitschwingen der Gefühle von anderen. Heisst: Die Emotionen der anderen ansprechen und mitfühlen. Es entsteht eine einzigartige Gemeinschaft. Ein besonderer Moment, der nicht einfach plan- und machbar ist.
Kurz: das menschlich Verbindende.
Sowohl Sprecher/Schauspieler wie Hörende haben eine eigene Identität, was zum Austausch und zu einer gewinnbringenden Vielfalt führt. Da ich selbst im Coachingbereich (Persönlichkeitsentwicklung) ausgebildet und auch tätig bin, weiss ich, dass Emotionen etwas vom Wichtigsten sind, damit Menschen sich öffnen, einander näherkommen und connecten können. In einem Gespräch ist es also nicht nur das Gesprochene, das wirkt.
Es ist auch die Mimik und die Nuancen im Tonfall. Diese sind die Sprache der Emotionen. Emotionen sind die gefühlte Wahrheit. Sie erzählen oder bestätigen das bisher Erlebte.
Wahrheit ist enorm wichtig, damit Verständnis, Vertrauen und Handlung möglich sind.
Das kann uns künstliche Intelligenz bis heute nicht bieten.
«Ich freue mich mittlerweile über kleine Rechtschreibfehler in Postings, in Bewerbungsschreiben oder E-Mails. Weil ich dann recht sicher weiss: Da hat ein Mensch geschrieben und keine KI.»
Dieses Zitat habe ich in einem Sozialen Netzwerk gelesen. Es fasst in etwa das zusammen, was auch mir wichtig ist.
Ohne Emotionen fühlen wir uns nicht gemeint
Emotionen verbinden. Sie geben uns etwas, das zu unserem Menschsein gehört.
Während ich bei Lesungen von menschlichen Sprechern irgendwie mittendrin war, fühlte ich mich bei der KI-Stimme der Republik aussen vor. Die Stimme spricht keine ZuhörerInnen an. Sie ist unfähig, es sich vorzustellen. Sie liest einfach. Ob ich mich darum nicht gemeint fühle und kein gemeinsames Erlebnis spüre?
Von einem alten Radiopionier habe ich gelesen, dass wenn du im Radio moderierst, dann stell dir eine/n HörerIn vor. Eine Person, für die du sprichst. Nur so schafft man eine persönliche Atmosphäre. Ob 10 oder 100’000 Menschen zuhören, spielt keine Rolle. Alle fühlen sich durch diese Einstellung persönlich gemeint. Das Connecten klappt!
Der hör- und spürbare menschliche Absender ist da.
KI-Input – MI-Output: zwei Geschwister mit klaren Bestimmungen
Künstliche Intelligenz geht ihren Weg und das ist (meistens) gut so. Da sie leider auch missbraucht werden kann, finde ich allerdings, sie gehört gut reguliert
Es gibt so viele repetitive Arbeitsabläufe, die durch KI erledigt werden können (Ausnahme aus meiner Sicht: Wenn Menschen mit diesen Arbeiten ihren Lebensunterhalt verdienen und darauf angewiesen sind).
Im Online-Marketing sehe ich es aktuell so:
Künstliche Intelligenz als Input – Menschliche Intelligenz im Output
Das heisst:
Für die übersichtliche Analyse von komplexen Daten macht KI durchaus Sinn. Eine solche Zusammenfassung braucht jedoch eine aufmerksame menschliche Überprüfung auf Wahrheit, Aktualität, Nutzen und Auswirkungen auf Menschen.
Der Output hingegen, in welcher Form er auch sei, sollte durch menschliche Intelligenz und Kreativität erfolgen. Wir dürfen das Wichtigste im zwischenmenschlichen Bereich nicht verlieren:
Unsere Emotionen = das Verbindende.
Bewegende Touchpoints schaffen
Ich verschliesse mich nicht vor Künstlicher Intelligenz. Sie verkürzt den zeitlichen Aufwand meiner Analysen und kann komplexe Themen vereinfachen – mit den entsprechenden Tools. Dafür bin ich sehr dankbar. Doch wenn wir bewegende Touchpoints schaffen wollen, braucht es uns selbst mehr, als wir vielleicht glauben.
Die durchschnittliche Klickrate für Bannerwerbung beträgt zurzeit 0.05 Prozent. Anders ausgedrückt 0.5 Promille. Ein einziger Klick pro 2000 beworbene Personen. Das ist verschwindend wenig.
Warum ist dieser Wert so tief? Als einen möglichen Grund sehe ich persönlich die KI-Automation und die dadurch entstandene Masse. Soziale Medien verlieren durch die zunehmende Informationsflut an Wert. Folge: Ermüdung der NutzerInnen (sogenannte Social Media Fatigue).
Wir muten unseren potenziellen KundInnen viele Infos zu. KI machts halt möglich …
Alle wollen schnelle Ergebnisse und decken ihre KundInnen mit – aus ihrer Sicht – nützlichen Infos zu. Was uns (Denk)Arbeit abnimmt, was per Knopfdruck geht, setzen wir gerne vermehrt ein.
Doch mehr Output bringt nicht automatisch mehr Erfolg.
Der entscheidende Punkt jeder Werbemassnahme ist
- die Art und Weise der Kommunikation (nicht die Menge, Masse)
- sowie die Aufnahmefähigkeit des Menschen
Dies beides geschieht über spürbaren Respekt. Ehrlichkeit. Zuverlässigkeit.
Und über das richtige Mass an Emotionen.Der österreichisch-israelische jüdische Religionsphilosoph Martin Buber brachte es auf den Punkt:
«Alles wirkliche Leben ist Begegnung.»
Kundenbeziehungen brauchen menschliche Gesichter. Ein Gegenüber. Austausch. Es geht nicht ohne dieses Gefühl, das sich Vertrauen nennt.
Und das können nur Menschen vermitteln.
© raeber-online-marketing.ch, 24.3.2025, Andreas Räber